Informatives zu Bodymodification

 

Historisches

Quelle: www.taetowierungsgeschichte.de

Das geht unter die Haut?!

Die wohl ältesten bekanntesten Tattoos auf einem menschlichen Körper besitzt Ötzi. Dies ist der weltbekannte Leichnam eines Steinzeitmenschen, der 1991 in einem Gletscher nahe des Ötztales in Italien gefunden wurde. 15 Tätowierungen befinden sich auf seinem Körper. Unter anderem verlaufen eine Reihe paralleler Linien auf seiner unteren Wirbelsäule, Streifen um seinen rechten Fußköchel und eine Tätowierung in Form eines Kreuzes hinter seinem rechten Knie. Auf diesem steinzeitlichen Körper Tätowierungen zu finden war nahezu sensationell.
Anfänglich hat man gedacht, daß es sich um reine Schmucktätowierungen handelt, die den Gletschermann als zu einem Stamm zugehörig markieren sollte. Mittlerweile scheint jedoch klar zu sein, daß es sich wohl um therapeutischen Charakter in Form von Akupunktur handelt. Es wurde festgestellt, daß die Tätowierungen besonders an Rücken und Beinen an Stellen sind, die als klassische Akupunktur-Stellen gelten.

Wie begann nun die Geschichte der Tätowierungen? Wie lange gibt es sie schon und wie hat sie sich in den verschiedenen Teilen der Welt und im Laufe der Geschichte entwickelt?
Der Zeitraum zwischen den ersten Körperbemalungen und der Erfindung der elektrischen Tätowierungsmaschine bis zum Cybertattoo scheint unendlich. All diese Fragen versuche ich hier zu berücksichtigen und zu erläutern.
Den geschichtlichen Teil der Tätowierungen finde ich besonders interessant. Tattoos tauchen in Teilen der Geschichte auf und ihnen werden Bedeutungen zugemessen, von denen man es vorher nie vermutet hat. Nicht nur gesellschaftliche Phänomene, sondern auch politische und religiöse Strukturen haben zur Verbreitung und Populierung der Tätowierungen beigetragen.
Beispielsweise feierte 1992 Amerika sein 500jähriges Jubiläum - 500 Jahre ist es her, daß Columbus auf Grund eines navigatorischen Fehlers die "Indianer" entdeckte. Die eigentliche Bedeutung dieses Zufalls liegt nicht im Sachverhalt, daß ein neuer Kontinent entdeckt wurde, sondern darin, daß mit dieser Entdeckung ein grundlegender Wandel des weltpolitischen Gefüges eingeleitet wurde.
Europa nahm einen ganzen Kontinent in Besitz und importierte seine politische Ideen und sein wirtschaftliches System auf den neuen Kontinent. Was sich daraus entwickelte, ist heute bestimmend für die ganze Welt: Amerika als Weltpolizei und wirtschaftliche und technologische Übermacht.
Was hat das alles mit Tätowierungen zu tun? Die Entdeckungsreisen von Tasman, Bougainville und Cook im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und ihre schillernden Beschreibungen des "irdischen Paradieses" wie auch die tätowierten Polynesier Aotoru (1768 in Paris) und Omai (1775 in London) faszinierten die gehobene Gesellschaft in Europa und waren der Ausgangspunkt für die Tätowiertradition in Europa und Amerika. Die Tätowierung war zwar schon seit Urzeiten bekannt, wurde aber erst durch die Einführung des Wortes greifbar und beschreibbar.
Das Wort "Tätowieren" hat seinen Ursprung in Polynesien und wurde auf Grund des lebhaften Interesses für die Südsee schnell in den europäischen Sprachschatz aufgenommen:
"Tatauierung" [zu polynes. tatau >Zeichen<], umgangssprachlich Tätowierung. Das Einstechen oder Einritzen von Ornamenten in menschliche Haut. In musterhaft angeordnete Stiche oder Schnitte reibt man Farbstoffe (oft mit Pflanzensäften gebundenen Ruß). In manchen Gebieten (NO-Asien und Nordamerika) wurden geschwärzte Fäden in die Haut genäht. T ist in außereuropäischen Kulturen weit verbreitet. Besonders in Afrika wird die Narben-Tatauierung angewendet, bei der die Schmuckformen durch wiederholtes Verunreinigen der Wunden und Abreißen des Schorfs (auch Einbrennen) entstehen; meist haben sie magische Bedeutung oder symbolisieren die Aufnahme Jugendlicher in den Kreis der Erwachsenen. Dagegen erzählen die hauptsächlich in Asien sowie in Ozeanien (aber auch regional in Amerika) verbreiteten Stich-Tatauierung komplexe Geschichten, zeugen von gesellschaftlichem Rang oder heroischen Taten. Die Kunst des Hautstichs war v.a. in Polynesien und Japan hochentwickelt. Seeleute machten sie in Europa bekannt.(aus: der Große Brockhaus)
Polynesien kam Mitte des Vorigen Jahrhunderts unter französische Herrschaft. Die Polynesier konnten sich bis in die 60er Jahre noch ausreichend von Landwirtschaft und Fischfang ernähren. Dies änderte sich jedoch, als die Franzosen mit den Vorbereitungen von Atomwaffentests im Mururoa-Atoll begannen. Heute lebt jeder zweite Einwohner von der Bombe und die Grundversorgung der Bevölkerung wird über Konserven aus dem Ausland sichergestellt. Genau wie die Indianer Nordamerikas wurden auch sie bekämpft und des Landes beraubt. Kulturelle Traditionen wurden durch christliche Missionierung als "Teufelszeug" verboten; der Alkohol wurde verbreitet. Tätowierungen wurden als heidnische Symbole verdammt, so daß das Wissen darüber in Vergessenheit geriet. Die Marquesaner schöpfen das Wissen über ihre eigene Kultur des Tätowierens zum Teil aus Literatur, die von westlichen Ethnologen erstellt wurden. Eben diesen Leuten, die die Kulturen und Traditionen auf dem Gewissen haben.

Man geht davon aus, daß die Tätowierung sich aus der Körperbemalung (Neudeutsch: "Bodypainting") ergeben hat. Mehr oder weniger zufälligerweise sollen sich in frühester Zeit Menschen "beschmutzt" und dann entdeckt haben, daß das doch eigentlich gar nicht so schlecht aussieht. Zeitlich werden diese Bemalungen mit der Felsmalerei oder sogar noch davor angesiedelt.
Die möglichen Bedeutungen dieser Zeichen waren oder sind immer noch:
Schmuck des Körpers
Schutz vor äußeren Einflüssen, Dämonen und Magie
Schutz des Körpers vor Insekten
medizinisch-hygienischen Zwecke
Tarnung
Trauer
Kriegsbemalung
Kennzeichnung
Hieraus haben sich die Tätowierung in den verschiedensten Formen als auch das heutige Bodypainting oder das Brandmarken ("Branding") entwickelt. Darüber hinaus hatte die Tätowierung manchmal auch therapeutischen Charakter (siehe Ötzi). Als Mittel gegen Rheuma (z.B. Samoa) oder Kopfschmerzen (Afrika) waren Tätowierungen besser als Aspirin.
Die sog. Narbentätowierung war wohl die früheste Form der Einbringung von Farbe unter bzw. in die Haut. Wunden wurden zum Schutz vor Infektionen oder zur Verbesserung des Heilungsprozesses mit Zusätzen ausgerieben. Späte wurden Narben mit Ruß oder aus Pflanzensaft gewonnener Farbe ausgerieben, so daß nach der Heilung Farbmale auf der Haut zurückblieben. Die Narbenheilung wurde sogar zur Verstärkung des Effektes durch ständiges Aufreißen der Narbe gestört.
Bei den Eskimos wurden und werden z.T. immer noch eingefärbte Fäden unter die Haut eingenäht. Dies kennzeichnet die Zugehörigkeit einer Frau zu einem Mann. Bereits 1578 traf der Arktisforscher Sir Martin Frobisher auf eine Eskimofrau, die solche Male trug.
In Indien stellte die Tätowierung eine Form der Trauer dar. Je tiefer die Trauer, desto größer der Faktor der Selbstverstümmelung. Mit dem körperlichen Schmerz sollte der seelische überwunden werden. Dies ging soweit, daß man Zähne zog, brandmarkte oder sogar amputierte.
In einigen Stämmen Afrikas versuchte man bei einer Schwangerschaft durch Tätowierungen das Geschlecht des Kindes zu bestimmen und das noch ungeborene Kind vor Dämonen zu schützen.
In Form der Kennzeichnung diente die Tätowierung, um die Stammes- oder Clanzugehörigkeit zu demonstrieren. Gleiche Zeichen bedeuten gleiche Abstammung. Auch für sog. Übergangsriten werden Tätowierungen gebraucht. So z.B. bei dem Übergang eines Jugendlichen in das Erwachsenenalter. Nicht nur das Zeichen an sich kennzeichnet ihn dann als Erwachsenen, sondern das Ritual mit den damit verbundenen Schmerzen an sich macht ihn erst dazu. Solche Riten konnten sich durch das ganze Leben eines Tattoo-Trägers ziehen, so daß er am Ende seines Lebens seine eigene Geschichte und je nach Kulturkreis auch die Geschichte seiner Vorfahren auf seinem Körper trug.
Die Maori z.B. haben sogar die Köpfe von Toten abgetrennt und aufbewahrt, da sich hierauf die Geschichte von bis zu 100 Generationen befanden (siehe "Ozeanien").
Der soziale Status, besonders als Stammesoberhaupt, Häuptling oder Krieger konnte eindeutig und für alle erkennbar dargestellt werden. In entsprechenden Studien konnte festgestellt werden, daß die Körperbemalung und die ihr verwandten Techniken in sog. primitiven Gesellschaftenzentrale Bedeutung für die soziale Organisation haben. Diese auf dem Körper getragenen individuellen Zeichen waren nicht selten identisch mit den Symbolen auf dem Eigentum des Trägers wie z.B. Töpfen, Waffen etc. So erhält die Tätowierung einen doppelten Charakter: obwohl sie stammes- uns umfeldgebunden ist, ist sie gleichzeitig doch individuell an den Träger gebunden.
In Japan wurde schon sehr früh tätowiert. Erste Belege sind 1500 Jahre alt. Im Mittelalter wurde diese Technik zur Kennzeichnung von Kriminellen benutzt. Als im 18. Jhdt. bestimmte Kimono Designs und Muster verboten wurden um bestimmte Exzesse japanischer Kultur zu unterbinden, begann die Tradition der „Body Suits“ wo das Muster eben unter der Kleidung auf der Haut getragen wurde.
Erste Belege für Tätowierungen finden sich in Afrika, Polynesien und Asien aus der Zeit von ungefähr 500 v.Chr. Aber auch aus Kulturen wie den Ureinwohnern Nord- und Südamerika und den Ägyptern. Bei diesen sollte bei der Tätowierung von Verstorbenen deren Fortpflanzungsfähigkeit im Jenseits gesichert werden. 1923 wurde in einem Grab bei Luxor die Mumie einer tätowierten Prinzessin gefunden. Der Fund wird auf ca. 2000 v.Chr. datiert.
Motive
Motive der Frühzeit waren i.d.R. nicht gegenständlich, sondern stellten einfache Symbole wie Striche, Punkte oder einfache geometrische Formen dar. Die Wahl des Motives hat sich im Laufe der Zeit mehr und mehr in den gegenständlichen Charakter verschoben. Bestimmte Bilder für bestimmte Anlässe oder Bedeutungen. Feuerwehrmänner tragen Wasserdrachen als Schutz gegen Feuer und Fischer lassen sich Delphine stechen um nicht von Haien angegriffen zu werden.

James Cook
Wenn über die Geschichte der Tätowierungen in Europa geschrieben wird, darf der Name "Kapitän Cook" (James Cook, geb. 27.10.1728 in Marton-com-Cleveland, Yorkshire) nicht fehlen. Der Entdecker, Seefahrer und Erforscher der Inseln im pazifischen Ozean ist der Auslöser für den überspringenden Funken der Tätowierkunst nach Europa. Durch die Aufzeichnungen Cooks ist das Wort "tatau" erst in den europäischen und amerikanischen Sprachschatz übernommen worden ("Exploration travel on the brig of Her Majesty" von 1771). Die Zeichnungen auf der Haut waren zwar schon vordem einigen Forschern bekannt, doch erst Cook hat diese Kunst benannt und "importiert". Erst dann konnte die schon allzu bekannte Kunst auch "besprochen" werden. Vorher wurden lediglich phantasievolle Umschreibungen wie "punktieren", "bemalen", "einstechen" oder ähnliches benutzt.
Weiterhin begann ungefähr hier das Zeitalter der Tätowierung als reine Schmucktätowierung. Bis dahin galt die Tätowierung mehr als Identifikationsmerkmal.


In Deutschland setzte zwischen 1870 und 1880 eine regelrechte Tätowierwut ein. Viele wissenschaftliche Abhandlungen und Aufsätze wurden in dieser Zeit verfaßt. Die Hautbilder wurden dadurch zum Allgemeinthema und verloren ihren exotischen Charakter. Tätowierungen wurden Zeichen des "Milieu´s": Seeleute, Kriminelle und Prostituierte trugen sie. Da konnten auch seriöse ethnologische Abhandlungen nichts an dem schlechten Ruf ändern. Vor allen Dingen England war das Zentrum der Hautstecherei. Allerdings ließen sich auch viele angesehene Personen, wie der Prinz von Wales oder der Herzog von York (beide in Japan) stechen. Die weiße Haut der Oberschicht eignete sich offenbar besonders gut für die farbigen Bilder: König Edward VII, Zar Nikolaus, der Sultan von Jahore, die dänischen Prinzen Christian und Karl, der Herzog von Sachsen-Koburg, der König Georg von England, Prinz Christian-Viktor von Dänemark, Prinzessin Chiay, der König von Griechenland, Prinzessin Waldemar von Dänemark, Prinz Heinrich von Preußen, Kronprinz Rudolph von Österreich usw. Ein passendes Urteil: "Wer sich tätowiert, ist entweder ein Verbrecher oder ein degenerierter Adeliger".

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